„Frau Mode“ und ihre Geschichte

                                                                                            

Kleidung hat eine Funktion. Mode ist dazu da getragen zu werden.
(Unbekannt)

 

Mode!
Viel gefeiert und oft verpönt. Heute erleben wir sie als schnelllebig und wan­delbar. Im großen Stil ist die Klei­der­mode kommerzialisiert, auf Massen­pro­duk­tion ausgerichtet. Am Ende des 2. Jahrtausends (nach christlicher Zeit­rech­nuFischeng) gibt es scheinbar kein Muss, kein Modediktat mehr, "erlaubt ist was gefällt".
Doch wie sieht „Frau Mode“ ihr Leben in Bezug auf die Menschen? Hören wir ihr einmal aufmerksam zu und lassen sie ihre Geschichte selbst erzählen. Vielleicht werden wir mit Erstaunen feststellen, dass dieser schnelle Wechsel nicht immer so war und alles einen "guten Grund" hat. Für uns nahm Frau Mode höchst­per­sön­lich den Bleistift in die Hand und schrieb ihre eigene Geschichte auf. Bitte seien Sie etwas nachsichtig mit ihr, denn sie erzählt aus der Erinnerung und somit nicht unbedingt chronologisch genau.

Guten Tag liebe Leser,
endlich wurde ich einmal gebeten, selbst über mich zu schrei­ben, und diese Gelegenheit möchte ich gern nutzen, um unter anderem, so manchen Unsinn über mich klarzustellen.
Ich bin die Mode!
Über mich wurde schon viel geschrieben und gesprochen. Bildbände und Filme gibt es über mich. Ganze Industrien leben auf der gesamten Erdkugel durch mich und von mir. Für viele Menschen bin ich ein unendlich inspirierendes Thema, für andere bin ich ein Reizwort und nicht besonders an­ge­sehen.
Zu meiner Familie möchte ich nur so viel sagen: Ich bin die jüngere Schwester des Zeitgeistes. Was mein Bruder sich ausdenkt, entdeckt und entwickelt, mache ich sichtbar. Wenn Sie "Mode" sagen, meinen Sie Kleidung. Aber ich bin viel mehr!
Sie hören mich in der Sprache, in Worten, die meist von Jugendlichen erdacht und langsam als "gesellschaftsfähig" übernommen werden. Oder denken Sie an Worte, die als altmodisch gelten, wie üppig, Lehrling, Fräulein und solche, die schon lange in Vergessenheit geriet sind und allenfalls noch in der Sprache der Märchen und Sagen zu finden sind, wie Mume, Galoschen, Minne usw.
Auch in der Satzstellung und in der Schreibweise der Worte bin ich zu endecken. Denken Sie bitte an die Diskussion um die Rechtschreibreform, am Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Sie sehen mich - bleiben wir bei der Sprache - z. B. in der Zeitung.
Die Zeitungen in der Zeit um 1890/1900 wurde anders ge­staltet und mit an­deren Schrifttypen gesetzt als heute.
Sie sehen mich täglich in und an Gebäuden, nehmen Sie nur die Wohnungs­ein­richtungen. In welchem architektonischem Stil ist dies Haus erbaut, aus welchem Jahrzehnt sind die Möbel -- oder gar aus welcher Epoche?
In der Kunst können Sie mich finden. Malerei, Bildhauerei, ebenso in der Schrift­stellerei, Lyrik, Prosa usw.
Sie können mich hören --  mit der Musik. Tanzmusik des Mittelalters klingt doch ganz anders als Discomusik heute, und doch hatte/hat man an beidem seine Freude gefunden, zur jeweiligen Zeit.
Sie begreifen und schmecken mich, jeden Tag und auch in der Nacht. Wie hat Ihre Großmutter Kaffee aufgebrüht und wie tun Sie es heute? Selbst mit Hilfe von Speisen und Getränken finde ich mein "Sprachrohr". Denken Sie nur allein, wie in den 50ern in Deutschland gegessen wurde -- kräftig-deftig und reichhaltig, so war es recht! Und heute soll es so leicht wie möglich sein -- fettarm und vitamin­reich. Damit immer noch nicht genug, auch in Mimik und Gestik bin ich zu Hause. Stellen Sie sich ein wohlLoewehabendes Fräulein um die Jahr­hundert­wende 1899/1900 vor, wie sie den Schleppenrock anhob, kokett mit dem Faltfächer hantierte oder wie sie nie das Haus ohne Sonnenschirm verließ (ge­bräunte Haut hatten nur die Menschen, die ihr Geld im Freien verdienten, z. B. Bauern oder Handwerker -- das einfache Volk eben. Und heute? Wer nicht braun­gebrannt aus dem Urlaub zurück­kommt, wird gleich verdächtigt, eine schlechte Zeit verbracht zu haben und nicht erholt zu sein.) Und was ist Ende des zwanzigsten Jahrhundert fast schon ein Muss im Café und auf der Straße? Das Handy. Ein Symbol dafür, wie erfolg­reich und gefragt man ist.
Wenn Sie sich einmal genau umsehen, werden Sie merken, dass ich überall meinen Platz habe.
Für manche Menschen bin ich etwas Schädliches, Ver­werf­liches, Mode-riges. Sie sehen im aktuellen Trend bereits den Verfall, also das Modern, denn es scheint keinen Wert zu haben und keinen Bestand, nichts, woran man sich halten könnte. Anders eben in der Tracht. Hier gibt es festgelegte Unter­schiede, an denen man auf dem ersten Blick erkennen kann, wo der Träger herkommt, von den Bergen oder von der Küste. Sofort sieht man: ob er/sie ledig, ver­heiratet oder ver­witwet ist, welcher Altersgruppe und welcher Zunft (vielleicht im Berg­bau, als Krämer, Bauer, Müller, Schulze ...) er/sie angehört, welchen Rang er/sie bekleidet.
Andere loben mich über den grünen Klee und meinen, ohne mich, die Mode, wäre es ein höchst langweiliges Leben. Sich schmücken, schminken und die schlanke Figur mit sexy Kla­motten zu betonen -- darin sehen sie ihren eigent­lichen Lebens­sinn. Sie scheinen sich nur um Äußer-lichkeiten zu kümmern und dabei zu über­sehen, dass auch ihr Verhalten eine Aussage über ihr (unsicheres, weil ständig sich nach außen richtendes, verkümertes) Wesen macht.
Wenn Sie mich fragen, so sage ich: Beides ist übertrieben.
Ich, die Mode finde mich weder verwerflich, noch bin ich der Sinn des Lebens!
Nur was den Menschen so einfällt, das zeige ich auf. Wenn Sie es genau be­trachten, bin ich von Ihnen ab­hängig, denn in der Natur, unbeeinflusst von Men­schen­hand, gibt es mich nicht. Meine Existenz ist nur sicher, solange es den Men­schen gibt.
So manches, was sich durch mich ausdrückt und aus Men­schenverstand ans Licht gekommen ist, ist sinnvoll, da es in vielen Bereichen das Menschendasein erleich­tert. An dieser Stelle möchte ich noch einen Verwandten von mir nennen, Herrn Fortschritt, mein Vetter. Aber auch vieles ist einem Sinn entsprungen, den man ruhig Leichtsinn nennen kann. Glau­ben Sie mir, manchmal stehen auch mir die Haare zu Berge, wenn ich sehe, was alles meinen Namen trägt und dieses durch die gesamte Menschheitsgeschichte hinKrebsdurch.
Was nur das nun begonnene Jahrtausend für mich bringt, wie ich gesehen und verstanden werde -- wer weiß es heute zu sagen?
Ich für meinen Teil würde mir wünschen, dass Sie, die Menschen mich be­nut­zen, um einen Zugang zu sich selbst, auch zu Ihrer spituellen Entwicklung, zu Ihrem Nächsten und dem Nachbarn, ebenso zum Fremden (denn auch er/sie hat eine ((Kleider-))Geschichte hinter sich) zu finden. Wer sich kennt und Hindergründe versteht lernt, hat die Möglichkeit, sich zu entwickeln, und kann gleichzeitig andere respek­tieren.
Vielleicht werden Sie mich nun mit anderen Augen ansehen und, wenn Sie vorher nicht viel von mir hielten, ein wenig mehr für mich übrig haben.

 

Es grüßt Sie recht herzlich
und kleiden Sie sich wohl

                                             Ihre Neue Mode